Definition
Flipped Classroom hat zum Ziel, mehr Raum für interaktive Zusammenarbeit mit den Lernenden zu schaffen und die klassischen Erklärphasen aus dem Frontalunterricht in das Selbststudium zu verlagern.
(vgl. Kim et al., 2014)
Kurzbeschreibung
In der Methode Flipped Classroom eignen sich die Schüler*innen selbstständig Inhalte zu Hause an. Dies kann anhand von Materialien, Medien usw. erfolgen. In der Regel werden beim Flipped Classroom Lernvideos von der Lehrkraft oder aus dem Internet bereitgestellt. Die Inhalte, die auf ursprüngliche Art im Unterricht vermittelt werden, werden nun vom Einzelnen selbst angeeignet/erarbeitet.
Der Unterricht dient dann als Hilfestellung: Die Lehrkraft unterstützt die Schüler*innen während des Bearbeitens der Aufgaben bei Fragen, Verständnisschwierigkeiten und Problemen.
Flipped Classroom wird oft als Methode mit digitalen Medien angesehen, da ein Einsatz digitaler Medien, besonders bei der selbstständigen Erarbeitung des Lerninhalts, für eine erfolgreiche Umsetzung hilfreich ist. Es ist auch eine Umsetzung ohne sie möglich, jedoch erleichtern sie den Lernprozess.
Ziele der Methode
- Effektivere Nutzung der Präsenzzeit für Übungen und Anwendungsaufgaben
- Stärkung der individuellen Förderung (durch mehr Zeit)
- Förderung der Eigenverantwortung im Umgang mit digitalen Medien
- Förderung der Selbstorganisation, des selbstgesteuerten Lernens und der Eigenverantwortung im eigenen Lernprozess
- Verbesserung der Interaktivität und Kommunikation im Präsenzunterricht
- Differenziertes Lernen durch angepasste Materialien
- Lernen lernen vermitteln
Ablauf
Vorbereitung:
Lehrkraft erstellt (digitale) Lernmaterialien. Die Schüler*innen bearbeiten die Materialien eigenständig zu Hause. Die vorbereiteten Materialien ermöglichen das Aneignen des (Vor)Wissens. Die Lehrkraft erklärt danach der Klasse die Methode (Ablauf, Regeln …).
Durchführung:
Im Präsenzunterricht werden Fragen der Schüler*innen im Plenum oder in Einzelgesprächen geklärt. Durch Bearbeitung (vorgegebener) Aufgaben findet eine Übungsphase statt, in der das Wissen wiederholt, vertieft und angewendet wird. Die Aufgaben können entweder im Plenum, in Gruppen-/Partnerarbeit oder in Einzelarbeit bearbeitet werden. Die Lehrkraft steht für Fragen und Unklarheiten zur Verfügung. Sie begleitet und unterstützt die Schüler*innen individuell.
Abschluss:
Die Schüler*innen präsentieren hier ihre Ergebnisse der Aufgabe. Es findet eine gemeinsame Reflexion über den Lerninhalt statt. Eine Sicherung des Lernstoffs, wie beispielsweise Zusammenfassungen, Hefteinträge oder ein Quiz, findet in dieser Phase statt.
Ablaufstrahl
Materialien
- Lernvideos
- digitale Endgeräte
- digitale Tools
- Arbeitsblätter und andere Materialien
Dauer
Vorbereitungszeit: Je nach Komplexität des Lerninhalts ca. 20-90 Minuten
Durchführungszeit: Je nach Schulform und Thema ca. 45-90 Minuten
Abschlusszeit: Je nach Intensität und Komplexität des Themas ca. 15-30 Minuten
Einsatzmöglichkeiten
Alter: Geeignet ab der Sekundarstufe 1
Fächer: universell einsetzbar
Gruppengröße: für alle Gruppengrößen geeignet
Vorteile
- Individuelle Förderung durch individuelles Feedback und schüler*innenorientiertes Unterrichtsgeschehen
- Interpersoneller Austausch als „Lernbegleiter“ statt Lehrer im Frontalunterricht intensiver und nachhaltiger
- Beim gemeinsamen Erarbeiten der Themen: Förderung des kooperativen Lernens
- Unabhängigkeit von Zeit und Ort
- Visuelle Darstellung des Lerninhalts (durch Lehr- und Lernvideos)
- Fördern der (intrinsischen und extrinsischen) Motivation durch den Einsatz digitaler Medien
Nachteile/Herausforderungen
- Ungleicher Zugang zu digitalen Medien
- Motivationsschwierigkeiten können entstehen
- Fehlendes Vorwissen führt bei alleiniger Erarbeitung zu Verständnisschwierigkeiten
- Viel Selbstdisziplin und Eigenverantwortlichkeit erforderlich
- Hoher Zeitaufwand für Lehrkräfte
- Überforderung: Soldatentum-Effekt
Wichtige Fragen für die Methode
- Welche Unterstützung benötigen Schüler*innen bei der selbstständigen Vorbereitung?
- Wie wird der Lernfortschritt kontrolliert und das Vorwissen überprüft?
- Haben Schüler*innen Zugang zu den benötigten digitalen Geräten und Materialien?
- Wie können unterschiedliche Leistungsniveaus berücksichtigt werden?
- Wie kann der Lernstoff bestmöglich gesichert und reflektiert werden?
Unterstützungsmöglichkeiten
- Im Präsenzunterricht zu Beginn nicht die selbsterarbeiteten Inhalte wiederholen, um Faulheit vor Selbstvorbereitung zu vermeiden (bei Verständnisschwierigkeiten kann und soll wiederholt werden)
- Strukturierte und konkrete Aufgaben zur Verfügung stellen
- Strukturierte und konkrete Materialien zur Verfügung stellen
- Reflexion untereinander: Peer-to-Peer-Feedback
- Testmöglichkeiten erstellen, um aktuellen Wissensstand zu prüfen
- Rückfragen während der Erarbeitungszeit ermöglichen (durch beispielsweise E-Mails oder Forum)
- Checklisten erstellen (für die Strukturierung)
- (Wenn logistisch möglich:) Bereitstellung digitaler Endgeräte
- Regelmäßiges (positives) Feedback
(vgl. https://www.ecademy-learning.com/ausbildung-digital/flipped-classroom/#definition )
Praxisbeispiel
Physik in der 9. Klasse an einem Gymnasium.
Thema: Das Thema Gesetz von Hebel und Drehmoment wird behandelt.
Vorbereitung:
Die Lehrkraft erstellt digitale Lernmaterialien, um den Schüler*innen die Grundlagen des Hebelgesetzes und des Drehmoments zu vermitteln. Diese Materialien bestehen aus:
- Einem kurzen Einführungsvideo (ca. 10 Minuten), das das Hebelgesetz erklärt (Kräfte, Drehpunkt, Hebelarm).
- Einem interaktiven Online-Arbeitsblatt mit Verständnisfragen (z. B.: Definiere das Drehmoment. Was passiert, wenn man den Hebelarm verlängert?)
- Einem Experimentvideo, in dem das Hebelgesetz anhand eines Balkens und Gewichten demonstriert wird.
Die Schüler*innen bearbeiten die Materialien zu Hause und notieren ihre Fragen oder Schwierigkeiten.
Durchführung:
Präsenzunterricht:
Die Lehrkraft beginnt die Stunde mit einer kurzen Fragerunde:
- „Welche Fragen habt ihr zu den Lernmaterialien?“
- „Gab es Stellen, die ihr nicht verstanden habt?“
Die Fragen werden im Plenum geklärt, wobei die Lehrkraft auf Beispiele oder Demonstrationen zurückgreift.
Die Klasse teilt sich in Gruppen, die vorgegebene Aufgaben bearbeiten:
- Aufgabe 1: Berechne das Drehmoment bei einer gegebenen Kraft und einem Hebelarm von 50 cm.
- Aufgabe 2: Bestimme, welche Kraft erforderlich ist, um ein Gleichgewicht auf einem Hebel mit ungleichen Hebelarmen herzustellen.
- Aufgabe 3 (experimentell): Die Schüler*innen arbeiten an Stationen mit Balken und Gewichten, um die Berechnungen praktisch zu überprüfen.
Die Lehrkraft begleitet die Gruppen, beantwortet Fragen und hilft bei Unklarheiten.
Abschluss:
Jede Gruppe präsentiert eine der bearbeiteten Aufgaben im Plenum, erklärt den Lösungsweg und demonstriert gegebenenfalls die Ergebnisse der praktischen Übungen.
Die Lehrkraft fasst die wichtigsten Punkte zusammen und führt ein abschließendes Quiz durch, z. B.:
Was passiert mit dem Drehmoment, wenn der Hebelarm verdoppelt wird? Wie berechnet man das Gleichgewicht bei einem Hebel?
(mithilfe von ChatGPT)
Podcast by NotebookLM®
Unterricht, aber mal auf anderer Basis. Ein ganz anderer Wissenserwerbsansatz für Schüler*innen! Hier das Wichtigste zu Flipped Classroom:
Quellen
https://www.die-bonn.de/wb/2016-flipped-classroom-01.pdf
https://www.betzold.de/blog/flipped-classroom/
https://www.ecademy-learning.com/ausbildung-digital/flipped-classroom/#definition
https://www.cornelsen.de/magazin/beitraege/flipped-classroom-konzept
https://wb-web.de/wissen/methoden/flipped-classroom.html
Min Kyu Kim, So Mi Kim, Otto Khera, Joan Getman (2014).The experience of three flipped classrooms in an urban university: an exploration of design principles
ChatGPT
Bild: ChatGPT